Nach der Kohle: HPC baut in Schöningen
Der Tagebau Schöningen ist ein besonderer Ort: Wie unter einem Brennglas zeigen sich hier Vergangenheit und Zukunft, von der Altsteinzeit über die innerdeutsche Grenze bis hin zu HPCs Lösungen für Bergbaufolgelandschaften.
Wer an der Bergakademie Freiberg studierte und unweit eines rekultivierten Braunkohletagebaus eine HPC-Niederlassung leitet, kennt alle Phasen und Folgen der Rohstoffgewinnung. Der Diplom-Ingenieur Michael Rüger beschäftigt sich mit seinem Team seit Jahrzehnten sowohl damit, Lagerstätten zu erkunden, als auch damit, Altlasten rückzubauen und ganze Tagebaue zu sanieren. “Es gibt in den Neuen Bundesländern viel zu tun: Acht Prozent der gesamten ehemaligen DDR-Fläche ist durch den Bergbau beeinflusst. Aber auch in den alten Bundesländern gibt es viele Bergbaufolgelandschaften”, so Rüger. Schon vor der Wende erarbeitete er mit einem Team in Merseburg ingenieurtechnische Lösungen für den Bergbau. Mit dem Tag der Währungsreform kam das Team dann zur HPC AG – ein Stückchen Wiedervereinigung unter Kollegen.
Helmstedter Revier und die ehemalige innerdeutsche Grenze:
Dialog durch Bergbau
Auch die Tagebaue im Helmstedter Revier erinnern auf dramatische Weise an die ehemalige innerdeutsche Grenze, an Konflikt und Dialog. Als 1952 die Grenze geschlossen wurde, kam es zunächst zu Spannungen: Die Bergleute auf der Ostseite behielten den Bagger. Auf der Westseite drohte man, das Kühlwasser abzudrehen, das für das ostdeutsche Kraftwerk Harbke notwendig war.
Schließlich fand man dafür und auch für andere Streitpunkte Lösungen. Man einigte sich etwa, dass der Strom für den Weiterbetrieb des Tagebaus in Westdeutschland zwischenzeitlich aus Ostdeutschland geliefert wurde.
Die Fläche für das Verkippen des Abraums aus dem Osten wurde für das Aufhalden zeitweilig freigegeben. Auch geologische und bergtechnische Informationen wurden regelmäßig ausgetauscht. Gewissermaßen war hier die Grenze ein wenig durchlässiger. Gleichwohl gab es im Braunkohlenrevier Helmstedt/Wulfersdorf Grenzsicherungsanlagen, die teilweise heute noch besichtigt werden können.
Neue Landschaft im Schöninger Tagebau
Im westdeutschen Tagebau Schöningen wurde von 1979 bis 2016 von verschiedenen Unternehmen Braunkohle gefördert und unweit im Kraftwerk Buschhaus verfeuert. Schöningen war der letzte aktive Tagebau des Helmstedter Reviers, wo seit dem 19. Jahrhundert Braunkohle abgebaut wurde. Ein Teil des Tagebaus wurde wiederverfüllt.
Auch ein Gewässer soll nun entstehen mit dem Namen “Elmsee”. Doch die Geologie der Umgebung macht es den Architekten der neuen Landschaft zwischen den Städten Schöningen und Helmstedt sowie der Gemeinde Hötensleben schwer.
Standsichere Böschungen und fehlendes Wasser
“Die Böschungen des Tagebaus Schöningen lagen lange offen. Ohne Bewuchs hat dann der Regen ein leichtes Spiel und Erosionsrinnen entstehen,” so Michael Rüger. Doch nicht nur die Erosion ist eine Gefährdung für die Stabilität der Böschungen. Mit der vorgesehenen Flutung des Tagebaurestloches und dem damit verbundenen Anstieg des Grundwassers im Umfeld des Tagebaus verändern sich auch die statischen Verhältnisse an den Böschungssystemen des Tagebaus. Deren Standsicherheit ist dauerhaft zu gewährleisten um jegliche Gefährdung durch Rutschungen für die Zukunft auszuschließen.
Auch der Traum vom kühlen Nass lässt sich in anderen Regionen Deutschland leichter erfüllen. Im Vergleich zur Lausitz etwa gibt es im Helmstedter Revier nur wenig Wasser. Außerdem ist das wenige verfügbare Wasser zunächst dem benachbarten, ehemaligen Tagebau Wulfersdorf vorbehalten. Die Flutung des Tagebaus Schöningen dauert daher nicht Jahre, sondern Jahrzehnte – voraussichtlich 80 Jahre, um genau zu sein.
Das HPC-Team und die Lösungen
Michael Rüger geht solche vielseitigen Herausforderungen grundsätzlich mit einem diversen und interdisziplinären Team an. Für den Tagebau Schöningen sind die Geologin Stefanie Liebetrau, der Hydrogeologe Matthias Kater, der Geotechniker Andreas Janel und der Ingenieur Uwe Thomas im Einsatz.
Sie sichern die Grube, nehmen Boden- und Gesteinsproben oder modellieren die Neubildungsrate für das Grundwasser unter Einbeziehung des Klimawandels. Zum zukünftigen See im Tagebau Schöningen meint der Hydrogeologe Kater:
“Die Flutung wird noch lange dauern. Dafür wird der neue See einen angenehmen pH-Wert haben – anders als in der Lausitz, wo die Seen oft durch die Pyritverwitterung in den Halden sauer werden.”
Um die Böschungen des Tagebaus zu sichern, setzt das HPC-Team auf eine Kombination verschiedener Lösungen: “Zum einen passen wir die Geometrie der Böschungen an die Extrembedingungen vor Ort an, das heißt wir sorgen für flache Neigungen”, so Michael Rüger. “Außerdem sichern wir die Grubenränder und setzen Wasserbausteine in die angegriffenen Bereiche”, ergänzt ihn Uwe Thomas.
Die wechselvolle Geschichte, der das HPC-Team bei seiner Arbeit begegnet, beschränkt sich nicht auf Ost und West. Gleich 300.000 Jahre alt sind die Speere und Knochen, die Archäologen im Tagebau freilegten. Es war wohl der Homo heidelbergensis, der die 2016 gefundene Holzwaffe für die Jagd benutzte.
Lange Zeit war der Damm, der für die DDR-Grenzsicherungsanlagen aufgeschüttet wurde, auch bei ansteigendem Wasser sichtbar. Bald nun wird er überflutet sein. Der dann entstehende See wurde Lappwaldsee getauft. Er wird geschichtsträchtigen Boden bedecken.