Verschollene Flüsse und Kriegsnachwirkungen: HPC im Kosovo
In der Hauptstadt des Kosovos gibt es keine Flüsse. Der namensgebende Priština und der Vellusha verschwanden in den Fünfzigern – zugeschüttet mit Müll und Erde. Flüsse, die nicht vom Erdboden verschwanden, sind in den Balkanländern oftmals kontaminiert – so wie auch viele Böden. Der Grund: unvorsichtiger oder nachlässiger und unwissender Umgang mit schädlichen Stoffen und massive Schädigungen durch den Krieg.
Die HPC AG unterstützt den Aufbau von Wissen und Expertise im Kosovo – mithilfe aufwändig vorbereiteter Workshops. Dr. Christoph Olk, Niederlassungsleiter in Kriftel/Frankfurt am Main, vermittelte die nötigen fachlichen und technischen Kenntnisse an Fachministerien, lokale Behörden, Unternehmen und Privatpersonen, die mit kontaminierten Standorten befasst sind. „Angefragt wurden wir von der Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Gemeinsam mit lokalen Institutionen haben wir mit großem Enthusiasmus und Spaß an der Sache die Schulungen für den Kosovo geplant und auf die Menschen bzw. Teilnehmer zugeschnitten. Dabei haben wir die Erfahrung gemacht, dass der Kosovo ein offenes, kulturell vielfältiges und freundliches Land ist und uns einiges mit den Kosovaren auch historisch verbindet“, so Herr Dr. Christoph Olk.
Verschmutzung durch Krieg
Die NATO nutzte im Kosovo-Krieg Uranmunition, sogenannte DU-Munition. Das abgereicherte Uran (DU), ein Abfallprodukt der Atomindustrie, hat eine Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahren und eine extrem hohe Dichte. Geschosse mit einem solchen Kern durchdringen auch Panzer und Stahlbeton. Von intakter DU-Munition geht keine Gefahr aus. Doch beim Aufprall der Munition wird ein Teil des Urans pulverisiert. Dabei entsteht Uranoxid-Staub, welcher dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen zufolge zu Krebs- oder Nierenschäden führen kann.
Eine Bordkanone der eingesetzten Kampfflugzeuge A-10 Thunderbolt feuerte bis zu 3900 Geschosse pro Minute ab, jedes fünfte mit DU-Munition. Die Projektile drangen metertief in den Boden ein – wo sie laut der UNEPeine Gefahr für die Menschen und das dringend benötigte Grund- und Trinkwasser darstellen.
Wie aufwendig eine Dekontamination ist, zeigte die Arbeit von 25 Spezialisten, die in Montenegro eine Fläche von rund 30.000 Quadratmetern bereinigten. In dieser Zeit konnten lediglich 300 DU-Projektile entfernt werden, die im Krieg in gerade mal zwölf Sekunden verschossen worden waren. Neben den Schäden durch DU-Munition, gibt es auch massive Verschmutzungen durch andere Munitionstypen oder etwa zerstörte Öltanks.
Dr. Christoph Olk war die historische Rolle des Krieges im Kosovo sehr bewusst: „Die Schäden und Traumata sind im Land stets präsent und mit den Händen buchstäblich zu greifen. Die Kriegserlebnisse sind, auch vergleichbar mit den Erfahrungen der zweiten Weltkriegsgeneration, tief in der kosovarischen Gesellschaft verankert. Dies ist auch eine Erklärung dafür, dass die Kosovaren unser Schulungsangebot und die Unterstützung – auf Augenhöhe – dankend angenommen und den starken Willen haben, die Lebensbedingungen in ihrem Land zu verbessern und eine gute Lebensqualität zu schaffen.“
Kohle, Bergbau, Bodenverschmutzung
Im Kosovo werden unter anderem Braunkohle, Marmor, Blei, Nickel, Chrom, Bauxit, Silber, Magnesit und Zink abgebaut. Die Bergbautradition reicht bis in vorrömische Zeiten zurück. Auch im sozialistischen Jugoslawien nahm der Bergbau eine bedeutende Stellung ein. Aus dieser Zeit stammen die beiden Braunkohlekraftwerke Kosova A und B. Sie deckten ihrerzeit fast den kompletten Energieverbrauch des Landes ab, sind heute aber veraltet, entsprechend ineffizient und unzuverlässig. Die Weltbank bezeichnet Kosova A als die „größte punktuelle Quelle für Umweltverschmutzung in Europa – die schlimmste Dreckschleuder in Europa“. Das Ausmaß der Luftverschmutzung in Kosovos Hauptstadt Priština wurde spätestens durch Aufzeichnungen der US-Botschaft bekannt.
„Auch wir in Deutschland haben eine lange zurückreichende Bergbautradition, die uns über viele Jahrzehnte einen großen Wohlstand beschert und unsere industrielle Entwicklung ermöglicht hat“, so Dr. Olk. „So ist es auch im Kosovo, der mit seinen vielfältigen Ressourcen und Bodenschätzen gute Voraussetzungen für eine zukünftige Entwicklung mitbringt.
Die Beseitigung begleitender Umweltschäden und -belastungen ist, ähnlich wie in Deutschland und anderen europäischen Bergbauregionen, eine Jahrhundertaufgabe, die nur im europäischen Verbund zu bewerkstelligen ist. Hier liefert die HPC AG mit ihrem Know-How einen wichtigen Beitrag!“
Das Ungewisse unter den Füßen
Während die Uranmunition von westlichen Nichtregierungsorganisationen und die Luftverschmutzung von der lokalen Bevölkerung des Kosovos thematisiert werden, fehlen dem Boden Fürsprecher. Dabei wären diese dringend nötig. „Die HPC AG ist seit vielen Jahren in Deutschland, aber auch in anderen europäischen und außereuropäischen Regionen aktiv an der Untersuchung und Sanierung von Boden- und Grundwasserkontaminationen, sowie an der Beseitigung der damit verbundenen Entwicklungshemmnissen beteiligt. Es geht dabei um eine pragmatische, finanziell stemmbare und nutzungsorientierte Unterstützung. Die HPC AG deckt durch ihre vielfältigen und erprobten Arbeitsbereiche und Techniken alle Anforderungen ab, um dem Land Kosovo bei der Bewältigung dieser Herausforderungen zur Seite zu stehen. Dabei ist die von Offenheit und Vertrauen geprägte Atmosphäre zwischen den Menschen im Kosovo und den Mitarbeitern der HPC AG eine sehr gute und unverzichtbare Voraussetzung für eine weiterhin erfolgversprechende zukünftige Zusammenarbeit.“
Eine konzentrierte Zusammenarbeit in den Bereichen Altlastensanierung oder Energieversorgung im Kosovo ist dringend notwendig. Die Weltbank schätzt die jährlichen Kosten durch Umweltverschmutzung im Kosovo in einem mittleren Szenario auf 222 Millionen Euro. Der albanische Publizist und Musiker Migjen Kelmendi beschrieb in dem Song „Stadt ohne Fluss“ die versteckten Flüsse als Symbol der versteckten Identität Prištinas. Er widmete ihnen auch ein Buch und nutzte sie als Metapher für die Einstellung der ehemaligen kommunistischen Machthaber. Heute erinnern die verschmutzten, verdreckten und teils verschwundenen Flüsse eher an das Gedächtnis von Wasser, Luft und Böden.