Auf den Spuren Elmshorns – zwischen historischen Altlasten und modernem Stadtumbau
Die norddeutsche Stadt Elmshorn erfindet ihre Mitte neu: Ein neues Rathaus, neue Wohn- und Geschäftshäuser, und eine malerische, baumgesäumte Promenade zum Hafen entstehen rund um den Buttermarkt mit seiner historischen Markthalle. Doch es gibt einen Haken: Das Areal ist ein Altlastenstandort. Überreste einer alten Lederfabrik, einer Post, einer Tankstelle und eines Gaswerks liegen im Boden verborgen.
Die Aufgabe ist komplex und in der Vergangenheit haben sich nur wenige daran gewagt. Doch wir wären nicht HPC, wenn wir uns dieser Herausforderung nicht stellen würden! Altlastengutachten erstellen und Sicherheitskonzepte entwickeln – das sind schließlich unsere Spezialgebiete.
Zeitreise in die Vergangenheit
Die heutigen Herausforderungen rund um den Buttermarkt sind tief in der Geschichte des Standortes verwurzelt. 1855 wurde hier das erste Gaswerk der Region errichtet. Aufgrund von schlechtem Baugrund wurde es 40 Jahre später zurückgebaut. Mit der fortschreitenden Industrialisierung entwickelte Elmshorn sich rasch zu einem wichtigen Standort der Lederindustrie, rund um den Buttermarkt siedelten sich gleich mehrere große Lederfabriken an. Das Gerbereiwesen florierte. Doch der Erfolg hatte auch seine Schattenseiten: Der Import von Leder aus dem internationalen Rohhäutemarkt brachte eine Gefahr in die Lederhochburgen Elmshorn und Neumünster.
Mit den Rohhäuten wurden Milzbrand-Erreger eingeschleppt. Das ist eine Erkrankung, die primär bei Rindern auftritt, die jedoch auch den Menschen befallen und zu einer schweren bis tödlichen Erkrankung führen kann. Bis heute können kontaminierte Hinterlassenschaften der Gerbereien im Boden nicht ausgeschlossen werden – und sie sind nicht die einzigen Herausforderungen: Auch der Betrieb des Gasometers und der Tankstelle hat zu einer Kontamination des Bodens beigetragen. Hinzu kommt ein historischer LCKW-Schaden, der in einem Grundwasserleiter nachgewiesen wurde.
Abb.: Sanierungsmaßnahme Buttermarkt. Quelle: Morten Boysen, Stadt Elmshorn.
Lebensgefährliche Altlasten erfordern akribisches Vorgehen
Für eine Neuverlegung der Straßen wurde HPC 2019 mit einem Umwelt- und Baugrundgutachten für den Ersatz der Abwasserkanäle unter dem Buttermarkt beauftragt. Schon mit dem alleinigen Verdacht auf Milzbranderreger ist es besonders gefährlich, den Boden zu öffnen. Und das nicht ohne Grund: Milzbranderreger gelten sogar als biologische Kampfstoffe. Hier hat der Schutz von Leib und Leben höchste Priorität.
Frederik Arnold, Geologe und Projektleiter, berichtet: „Natürlich haben wir uns akribisch in die Datengrundlage eingearbeitet und konnten zusammen mit hochspezialisierten Ausrüstern Schutzkleidung und Messverfahren festlegen. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen war vor allem das Vertrauen im Team essentiell für die ersten Probebohrungen.
Ich hatte das Team aus wenigen sehr erfahrenen Mitarbeiter:innen von HPC und ehemaligen Kommiliton:innen im Bohrtrupp zusammengestellt – wir kennen uns seit Jahren und wissen, dass wir uns aufeinander verlassen können. Die Nächte vor der ersten Bohrung waren dennoch schlaflos und die Erleichterung nach den ersten erfolgreichen Sondierungen und Messungen groß.“
Gemeinsam mit seiner Kollegin Hanna Kim, Wasser- und Umweltingenieurin und zweite Projektleiterin bei diesem Projekt, konnte Frederik Arnold mittlerweile eine Routine für die Messungen etablieren. Die Sicherheitsstandards waren extrem hoch und die Mitglieder des Teams sind als Experten und Expertinnen auf diesem Gebiet anerkannt. Während sich Frederik Arnold um die Planung der Außeneinsätze, die passgenaue Schutzausrüstung und das Erstellen von Altlastengutachten kümmert, hat Hanna Kim Baugrundgutachten, Grundwasserberechnungen sowie Behördenabstimmungen und Verkehrsabsicherungen fest im Griff.
Von der Theorie in die Praxis:
Kein Platz für Grauzonen
Zu Beginn erhielten Baufachkräfte eine Einweisung in das Schutzkonzept von Projektleiter Arnold. Die umfangreiche Ausrüstung kann einschüchternd wirken, daher war seine Aufgabe, Ängste abzubauen und Vertrauen in das Schutzkonzept zu vermitteln. Zudem wurde ein sogenannter Schwarz-Weiß-Bereich eingerichtet, der den Schutz der Umwelt und der Anwohnenden gewährleistet. Der mit Spezialgeräten ausgebohrte Boden wird hier über mehrere Tage hinweg in Zelten entwässert, fachgerecht verpackt und in einer Sonderabfallverbrennungsanlage entsorgt.
Spezielle Filteranlagen reinigen die Luft im Führerhaus der Baumaschinen. Das anfallende Wasser wird über Sand- und Aktivkohlefilter abgereinigt. Auch in den einzelnen Arbeitsschritten wurden besondere Vorkehrungen getroffen. So wird beispielsweise rund um das Bohrgerät ein Spritzschutz installiert, der ausgeschleudertes Material auffängt. Eine Ausbreitung der Schadstoffe über den Schwarz-Bereich hinaus wird damit erfolgreich verhindert.
Abb.: Lagerung des kontaminierten Bodens in Fässern zum Abtransport in die Verbrennungsanlage.
Treffsicher in der Tiefe
Bei den Geländeerkundungen stieß das HPC-Team neben den Altlasten auf den unteren Teil eines Gasometers, welcher nicht sichtbar drei Meter unter der Oberfläche eingebaut war.Anhand einer historischen Nacherkundung in Verbindung mit Bohrungen und Sondierungen konnten Lage, Bauart und Füllmaterial des Gasometerbassins präzise bestimmt und die Hindernisräumung entsprechend der Arbeits- und Sicherheitspläne durchgeführt werden. Nicht ganz ohne Stolz kann das Team sagen, dass die von ihnen bestimmte Lage des Gasometerbassins einen Fehler von nur 0,5 m aufwies. Bauart und Füllung passten vollständig zu den aus der Recherche vorausgesagten Materialien.
Ein Blick ins hier und jetzt
Die Hindernisräumungen sind nun abgeschlossen und der Kanalbau läuft anhand unserer Baugrundgutachten und unserem Arbeits- und Sicherheitsplan durch hoch spezialisierte Fachfirmen. Eine Arbeitsgemeinschaft aus den Firmen BAUER Resources GmbH, Bereich BAUER Umwelt und STRABAG AG, Unternehmensbereich Verkehrswegebau führt die Arbeiten vor Ort aus. Einmal pro Woche reisen Mitarbeitende aus der HPC Niederlassung Bremen an, um die Arbeitssicherheit von einer weiteren Seite zu überprüfen. Denn: Kontrolle ist gut, bei hoch brisanten Gefahren ist doppelte Kontrolle noch besser. Beim Thema Sicherheit machen wir keine Kompromisse!
Mittlerweile sind wir die Anlaufstelle für gefährliche Altlastenprobleme in der gesamten Region geworden und verfassen Gutachten zu Umwelt- und Flächenrecycling. Unser Antrieb? Wir wollen die Umwelt vor Verschmutzungen und Gefahren der Vergangenheit schützen und vor allem vor erneuten Verunreinigungen bewahren. Das denken wir bei jedem Schritt mit.
Abb.: Ausbohren von kontaminiertem Boden mit Großbohrgerät.
Work in Progress:
Laufende Innovation am Standort
Unsere Arbeit am Buttermarkt ist ein Balanceakt. Wir sind stolz darauf, sichere Bauarbeiten zu ermöglichen und Kontaminationen umweltschonend zu beseitigen, doch der Weg ist geprägt von Herausforderungen, wie dem enormen Zeit- und Kostenaufwand der Bodenreinigung, und auch der häufig überlasteten Infrastruktur der Müllverbrennungsanlagen. Deshalb denken wir weiter: Wie können wir den Vorgang optimieren, ihn noch sicherer für Mensch und Umwelt machen und ihn darüber hinaus so gestalten, dass er übertragbar auf andere Standorte ist, die ebenfalls mit solchen Altlasten zu kämpfen haben?
Beim Brainstorming wird in viele Richtungen gedacht und neue Wege werden geprüft: Das Bodenmaterial könnte zum Beispiel in Epoxidharz-Würfel gegossen werden. Aus diesen können Milzbrandsporen nicht entweichen, was eine sichere Lagerung in Deponien ohne Verbrennung ermöglicht.
Ein ähnliches Verfahren wird bereits bei Asbest angewendet. Doch auch hier stoßen wir auf Hürden, wie den fehlenden Platz in Mülldeponien und die Notwendigkeit behördlicher Genehmigungen.
Es steht jedoch fest: Unsere Arbeit ist noch nicht getan. Wir sind entschlossen, weiterhin nach Lösungen zu suchen, die sowohl sicher als auch effizient sind. Unser Ziel: Einen langfristigen und nachhaltig positiven Unterschied zu machen – nicht nur am Buttermarkt, sondern überall dort, wo wir arbeiten.
Weitere Informationen zu diesem Projekt finden Sie unter Stadtumbau Elmshorn.
Abb.: Eingehauste Umschlagsanlage für kontaminierte Böden und Wasseraufbereitungsanlage.